Liebe Fußballverrückte!
Hat es auch euch
getroffen? Die ersten Spiele sind gespielt, Siege, Niederlagen, Freudentaumel
oder Tränen der Enttäuschung?
Am Freitag habe ich mein
erstes Spiel gesehen: Chile gegen Australien! Ich war zu Gast in einer
chilenischen Familie, bei der meine Freundin Marie zurzeit wohnt. Alle hatten die Nationalfarben im Gesicht,
Perücken, Hüte, Flaggen und was man noch so alles finden konnte. Es gab Bier
(für die Deutschen), Wein (für die Chilenen), Indoor-Asado, Papas Fritas und
tausend Jubelgesänge, Flüche, Grimassen, aber vor allem Spaß! Wir waren nicht
viele Leute, aber die Stimmung war trotzdem toll. Und dann stelle man sich vor,
dass hunderte Chilenen aufeinander treffen. Nach dem Sieg Chiles (3:1) wurde
gefeiert – aber wie! Als hätte das Nationalteam nicht nur das erste Spiel
gewonnen, nein, gleich die ganze Weltmeisterschaft! Live Übertragungen im
Fernsehen vom Plaza Italia (dort ist meine Metrostation): Die Leute strömen aus
allen Richtungen an, Familien, Jugendliche, Betrunkene! Das Denkmal wird
bestiegen und am Schluss feiern mehr als 1000 Menschen zusammen den Sieg. Das
nur im Fernsehen zu sehen war schon krass. Wir haben kurz überlegt auch noch
hinzufahren, aber diese Feiern sind wohl spätestens nach einer Stunde dazu
verurteilt, eine Szenerie des Taschenraubs und der betrunkenen Überreaktionen
zu sein.
Zwei Tage zuvor, habe ich
auf Facebook einen Dokumentar Film über die Zustände in Brasilien geteilt. Es
wurde erzählt wie sich die Lage auf Grund der WM zu mindestens für die arme
Bevölkerungsschicht verschlechtert hat.
Wie viel Geld in die komplett neu aufgebaute Infrastruktur reingesteckt wurde.
Könnt ihr euch vorstellen, dass der Staat Brasilien für EIN Stadion so viel
Geld ausgegeben hat, wie er in VIER Jahren insgesamt in BILDUNG investiert hat?
Ich war wirklich schockiert und emotional berührt, da auch von einzelnen
Schicksalen gesprochen wurde. Kurz zuvor habe ich den Film Citiy of God
geschaut, da ich darüber ein Referat halten muss. So viel hat sich seit den
70er Jahren anscheinend gar nicht verändert
in diesem Land, das die meisten doch nur als Touristische Hochburg
kennen.
Aufgrund der Doku habe
ich tatsächlich überlegt die WM zu boykottieren und auch mit einigen Leuten
drüber diskutiert. Mein Ergebnis ist Folgendes: Ich werde mir Spiele angucken
und ich werde auch die Siege feiern und die Niederlagen beklagen. Trotzdem
gucke ich auf alles was in Brasilien geschieht, ab jetzt mit einem kritischen
Auge. Ich weiß, dass mag vielleicht nicht genug sein, aber um einen Wandel zu
erreichen, hätte man früher und geschlossener reagieren müssen. Ich finde die
Fifa sollte daraus etwas lernen (was sie aber vermutlich nicht tut): Eine
Weltmeisterschaft sollte nur dort stattfinden, wo es ohne riesigen Aufwand auch
möglich ist, ein Megaevent wie dieses zu organisieren. Das heißt, wo man nicht
die Infrastruktur von null auf Hundert aufbauen muss…
Morgen also ist das erste
Deutschlandspiel: Ich bin gewappnet, Shirt ist bemalt, Nägel lackiert und die
Farben fürs Gesicht kommen morgen! Dem Fußballwahnsinn kann man in Chile
ohnehin nicht entkommen!
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